Weil wir ja hier schon vor einiger Zeit so schön über den Simson Gamma E diskutiert haben und es zwischenzeitlich ein paar Neuigkeiten in Sachen induktiv betriebener Fahrzeuge gibt, will ich mal ein Diskussionsthema zum Pro und Kontra dieser Technologie erstellen. Jeder der will darf sich daran beteiligen. Mir geht es einfach darum zu sehen, wie diese Technik angenommen wird und ob sie bei den eingefleischten Zweitaktfans überhaupt eine Chance hätte. Noch eine kleine Hintergrundinfo, viele der hier genannten Sachen habe ich über das Forum von WattGehtAb und über Wikipedia sowie über unseren Bäckerlehrling
in Erfahrung bringen können. Der Rest ist einfach aus Neugierde in die grauen Zellen gelangt.
Eins ist wohl Fakt: Wir werden über kurz oder lang damit konfrontiert werden, ob wir wollen oder nicht.
1. Hintergrundinformationen - Warum brauchen wir Elektrofahrzeuge?
2. Arten des Elektroantriebes
3. Die Akkutechnik
4. Versuche in den 90'er Jahren
5. Aktuelle Zweiräder
6. Aktuelle Vierräder
7. Die Zukunft der Elektrofahrzeuge
1. Hintergrundinformationen - Warum brauchen wir Elektrofahrzeuge?
Benzingetriebene Fahrzeuge haben diverse Nachteile, die man zwar auf ein Minimum reduzieren kann, jedoch nie ganz beseitigen wird. Bei Benzinpreisen von 1,50 Euro, der Einführung von Umweltzonen, unerträglichem Lärm auf unseren Straßen und dem Ruf nach weniger CO2-Ausstoß ist es klar, dass alternative Antriebskonzepte ihre Chance erhalten. Bei modernen Autos ist der Hybridantrieb der aktuelle Stand der Dinge, allerdings ist eine 2-Motoren-Lösung keine langfristige Alternative.
Im Zweiradbereich ist es vor Allem der Rennsport, der nach einer eierlegenden Wollmilchsau sucht. Endurostrecken sind am Aussterben und auch Supermotos dürfen schon teilweise nicht mehr auf Kartrennstrecken. Schuld daran sind erhöhte Lärmpegel und zusätzlich für Enduro- bzw. Crossmaschinen Umweltschutzgründe. Auslaufendes Benzin oder Öl sieht man nicht gern. Wer den Zweiradsport in unserer Gegend retten will, der muss sich nun einfach mit der Zukunft beschäftigen.
2. Arten des Elektroantriebes
Elektromotoren gibt es grundlegend in drei verschiedenen Ausführungen. Gleichstrommotoren, Wechselstrommotoren und Drehstrommotoren stehen zur Auswahl, dabei werden bei Zweirädern überwiegend Reihenschluss-Gleichstrommotoren mit Kohlebürsten verwendet. Diese haben ein Anlaufmoment, welches um ein vielfaches über dem Nennmoment liegt. Das Drehmoment sinkt bei steigender Drehzahl. Die Ansteuerung dieser Motoren ist sehr einfach über eine PWM zu realisieren.
Kennlinie Reihenschlussmotor:
[Blockierte Grafik: http://www.pt-powertower.de/Reihenschluss.jpg]
Mit dieser Drehmomentkurve ist klar, dass man einen entsprechend starken Motor überall einsetzen kann, denn bei Steigungen wird die Drehzahl geringer und damit das verfügbare Drehmoment automatisch wieder größer, geniale Sache.
Bei einigen Autos kamen auch Drehstrommotoren zum Einsatz. Welche Art allerdings genau beteiligt war, entzieht sich meiner Kenntnis. Schleifringläufermotoren bieten sich aufgrund des höheren Anlaufmoments an, während Kurzschlussläufer verschleißfrei arbeiten. Die Ansteuerung von einer Batterie aus erfolgt über einen Wechselrichter. Ein großer Nachteil wird bei der Kennlinie sichtbar, denn vor Allem Kurzschlussläufer müssen bei hoher Belastung erst im Leerlauf angelassen werden bis auf Leerlaufdrehzahl (liegt knapp unter der Drehfelddrehzahl) um sie anschließend mit ihrem Nennmoment belasten zu können. Eine andere Möglichkeit bietet ein mechanisches Getriebe.
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Nochmal zum Vergleich hier die Drehmomentkurve eines Verbrenners:
[Blockierte Grafik: http://www.pt-powertower.de/Verbrenner.jpg]
3. Die Akkutechnik
Das Herzstück eines jeden Elektrofahrzeuges - zumindest wenn es um die Berechnung des Kaufpreises geht. Kaum ein Bauteil ist so teuer, wie die unscheinbar wirkendes Batterie. Umso wichtiger ist es, die Forschung voran zu treiben und in immer leichtere Akkus immer mehr Kapazität zu pressen, bei gleichzeitig schnelleren Ladevorgängen. In den Anfängen wurden Bleiakkus verwendet, um schließlich über NiCd und NiMh zu Lithiumakkus zu kommen. Lithium ist das leichteste und kleinste Metall auf unserem Planeten, mit gerade mal 3 Protonen im Kern. Bei Lithiumakkus gibt es auch heute schon viele Ableger, die entweder einen höheren Entladestrom zulassen oder innerhalb von 10 Minuten aufgeladen sind. Ein Ende der Entwicklung ist noch lange nicht in Sicht. Um das zu verdeutlichen, hier ein kleiner Vergleich von 1994 zu 2008.
Simson Gamma E (1994)
Akkutechnik: Blei
Gewicht pro Batterie: 25 kg
Spannung: 12V
Kapazität: 115 Ah
Ladezeit: ca. 8 h
Kosten: ca. 200 Euro
--> Leistungsausbeute von 55,2 Wh/kg
Quantya EVO1 (2008)
Akkutechnik: Lithium-Polymer
Gewicht pro Batterie: 19 kg
Spannung: 48V
Kapazität: ca. 50 Ah
Ladezeit: ca. 2 h
Kosten: ca. 3.000 Euro
--> Leistungsausbeute von 126,3 Wh/kg
Es ist also bereits heute möglich, bei gleichem Akkugewicht mehr als die doppelte Reichweite im Vergleich zu Bleiakkus zu realisieren bzw. leistungsstärkere Motoren zu betreiben.
4. Versuche in den 90'er Jahren
Neben besagtem Simson Elektroroller gab es auch einige zeitige PKW-Versuche mit Elektromotoren. Vorreiter in dieser Disziplin sind mit Sicherheit die Franzosen rund um Renault mit dem Clio und Citroen mit dem AX. Beide Autos waren bereits mit Nickelakkus ausgestattet und konnten bei einer Reisegeschwindigkeit von ca. 80 km/h gute 100 km Reichweite vorweisen. Heute gehen diese "Oldtimer" für gute Preise um die 13.000 Euro über den Ladentisch.
5. Aktuelle Zweiräder
Kaum ist die Intermot vorbei, gibt es auch viele Neuigkeiten um das Thema Zweiräder. Der profitabelste Wirtschaftszweig ist eindeutig die 45 km/h Riege für Roller um die 2.500 Euro. Als Paradebeispiel sei hier die Firma Innoscooter erwähnt, die ein gutes Qualitätsprodukt für diesen Markt anbietet. Wenn es eine Nummer größer sein soll, dann wird man bei Vectrix fündig.
Da in diesem Forum aber Roller eh keinen interessieren überspringe ich dieses Kapitel und gehe zu den wichtigen Dingen des Lebens über.
Für den deutschen Markt ist im Moment nur ein Elektromotorrad interessant, weil die Geräte aus Amerika entweder nicht lieferbar oder schlichtweg zu teuer sind. Thema teuer, da passt eine deutsche Erfindung super dazu und zwar das ERockit für magere 25.000 Euro. In etwa um den Faktor 3 günstiger ist das Schweizer Qualitätsprodukt der Quantya S.A., eine Firma die dafür sorgt, dass es auch morgen noch Enduro- und Supermotosport geben wird. Das aktuelle Modell EVO1 gibt es in vier Ausführungen, als Track (ohne Straßenzulassung) und Strada (mit Straßenzulassung) und jeweils als Enduro oder Supermoto.
Quantya Supermoto
Quantya Enduro
Quantya Videos und Zeitungsartikel
Dieses unscheinbare Gefährt hat einen Reihenschlussmotor von L.M.C., der aus dem Stand heraus satte 38 Nm (!) liefert. Zum Vergleich, eine Simson bringt es bei ca. 5.000 U/min auf gerade mal 5 Nm. Damit überholt man beim Ampelstart so ziemlich alles, was auf der Straße fährt. Aufgrund des Reihenschlussverhaltens (siehe Kennlinie) ist dann aber auch bei ca. 70 km/h Schluss.
Als erster großer Hersteller hat sich nun auch KTM an die Entwicklung einer Elektroenduro versucht. In zwei Jahren soll sie marktreif sein. Bericht zur KTM Elektroenduro.
Einen Schritt weiter denkt schon Suzuki, die zwar im Moment nur eine Studie haben, dafür aber eine, die eine Brennstoffzelle zur Aufladung des Akkus beherbergt. Geniales Konzept, aber ausbaufähig. Suzuki Crosscage
6. Aktuelle Vierräder
Angefangen hat alles mit dem Tesla Roadster und dem Lightning GT. Beide bauen auf ähnliche Technik mit vier Radnabenmotoren, mit dem Unterschied, dass beim Lightning GT ein Lithium-Titanat Akku zum Einsatz kommt, der innerhalb von 10 Minuten auf 90% aufgeladen ist. Ein weiteres Highlight aus dem Sportbereich zeigt Alois Ruf mit seinem Elektroporsche, die Daten hören sich genau so an wie Butter wie das Fahrzeug selbst. Hier ein Bericht aus der Pro7 Newstime:
Im Kleinwagensegment gibt es unter anderem von Opel den Flextreme. Das ist eigentlich nichts weiter als ein Hybridauto, allerdings ist hier der Elektromotor im Permanenteingriff, der kleine Dieselmotor dient nur dazu, die Akkus wieder aufzuladen. Im reinen Akkubetrieb kommt man so ca. 50 km weit und sollte man den Diesel auch mal brauchen, ist der Motor dank konstanter Drehzahl mit ca. 3 litern sehr sparsam. Bis die Brennstoffzelle Serienreife erreicht sicher ein guter Ansatz.
Und auch heute sind die Franzosen wieder sehr aktiv in Sachen Elektrofahrzeuge. Dieses schnuckelige Gefährt hört auf den Namen Pininfarina B0, es beherbergt Lithium-Polymer Akkus und soll eine Reichweite von bis zu 250 km haben bei einer Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h. Der Preis steht allerdings noch nicht fest und wird wohl auch nicht unter 20.000 Euro liegen, der Akkutechnologie sei Dank.
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Auch Mitsubishi hat erkannt, was die Kunden von heute wollen und arbeitet am MIEV-Projekt: Mitsubishi MIEV Dokumentation
Die Liste ist so lang, die aktuellsten News dazu gibt es auf WattGehtAb.
7. Die Zukunft der Elektrofahrzeuge
Es ist wohl nicht zu übersehen - es geschieht etwas! Die Entwicklung alternativer Antriebe ist reizvoll und notwendig. Und der Elektromotor mit einem Wirkungsgrad von ca. 80% ist da dem Benzinmotor mit ca. 30% weit überlegen und das ohne dessen Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Die Motoren selbst sind auch nicht das Problem, sondern die Akkus und die müssen weiter entwickelt und gleichzeitig die Kosten dafür reduziert werden. Nun mag der ein oder andere denken, dass auch der Strom nicht nur aus der Steckdose kommt. Klar, aber erneuerbare Energien und Atomkraftwerke helfen uns dabei, sauberen Strom zu produzieren.
In Deutschland gibt es bereits viele Solartankstellen, das verbreitetste System hört dabei auf den Namen "Park & Charge". Man stellt sein Auto ab, betankt es und fährt anschließend weiter. In Berlin werden in Kooperation mit RWE neue Tankstellen aufgebaut und entsprechende Fahrzeuge (Mercedes A-Klasse und Smart) zur Verfügung gestellt, um diesen Fortschritt noch ein wenig anzukurbeln.
Die Wartung der Motoren ist minimal, nur noch Kohlebürsten tauschen und mal Lager prüfen, das war's! Nie wieder Öl wechseln, Ventile einstellen oder Zylinder schleifen. Ich freu mich auf die Zukunft. Und ihr?